Bockshornklee und Stillen

Wenn dein Baby hungrig ist und häufig weint oder sogar nicht gut zunimmt, heißt es schnell: "Die Milch reicht nicht - nimm doch ein bisschen Bockshornkleesamen, um die Menge zu erhöhen". Aber ist da wirklich was dran? Schauen wir uns das doch mal gemeinsam an.

Welche Wirkung wird Bockshornklee nachgesagt?

Der griechische Bockshornklee  (Foenum graecum) wird traditionell zur Erhöhung der Milchmenge eingesetzt. Ihm wird eine milchbildungsfördernde Wirkung nachgesagt und somit wird das Heilkraut als Tee gerne zur Behandlung von Stillproblemen eingesetzt. Mittlerweile gibt es in den Apotheken (oder Online-Shops) auch Bockshornklee-Kapseln, die eine hohe Menge an Bockshornkleesamen-Pulver enthalten. Von diesen Kapseln sollen dann 3 x täglich 3 Kapseln geschluckt werden. Eine Wirkung soll nach 3-4 Tagen eintreten.

In der Theorie sollen die Bockshornklee-Samen dann im Blut der stillenden Mutter den Prolaktin-Spiegel anheben. Prolaktin ist ein wichtiges Hormon, das auf natürliche Weise nach der Geburt ausgeschüttet wird, um die Milchbildung anzuregen und auszubauen. Medikamente, die die Milchbildung steigern, nennen wir Apotheker:innen übrigens Galaktogoga.

So - in der Theorie hört sich das ja alles ganz gut an, aber kommt es wirklich zu einer messbar erhöhten Menge an Muttermilch? Das wollte ich unbedingt wissen und daher habe ich bei Embryotox* für euch nachgefragt.

(*Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie, Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin)

Was sagt Embryotox zu Bockshornklee-Samen?

Antwort auf meine Nachfrage per Mail am 02.02.2022:

"Laut einem aktuellen Kommentar, in dem eine Metastudie von 2018 neu ausgewertet wurde, gibt es hier jedoch keine Wirkung, die über den Placeboeffekt hinausgeht! Auch Embryotox empfiehlt die Gabe von Bockshornklee zur Erhöhung der Muttermilchmenge nicht - wegen mangelnder Wirkung und möglichen Nebenwirkungen!"

Ich übersetze euch mal, was das genau heißt: Es gab im Jahr 2018 eine Metastudie von Khan et al.  die ursprünglich zeigte, dass Bockshornklee-Samen tatsächlich einen positiven Effekt auf die Milchproduktion haben. Allerdings wurde diese Metastudie von Grzeskowiak LE aufgrund statistischer Mängel stark kritisiert. Die Neuberechnung von Grzeskoswiak LE ergab, dass Bockshornklee-Samen keinen Effekt hat, der über den Placebo-Effekt hinausgeht. Embryotox schließt sich dieser Meinung an und empfiehlt daher die Gabe von Bockshornklee zur Erhöhung der Muttermilchmenge nicht. Und zwar nicht nur wegen einer mangelnden Wirkung, sondern auch, weil die Einnahme von Bockshornklee-Samen auch Nebenwirkungen haben kann.

Diese Nebenwirkungen haben Bockshornklee-Samen

Allergie

Normalerweise sind Bockshornkleesamen-Kapseln ganz gut verträglich. Allerdings besteht eine Kreuzallergie mit Korbblütlern, Erdnüssen und Hülsenfrüchten. Hast du bereits eine solche Allergie, solltest du Bockshornklee nicht einnehmen, um eine allergische Reaktion bis Anaphylaxie nicht zu provozieren.

Durchfall & Übelkeit und Kopfschmerzen & Schwindel

Aber auch als Nicht-Allergiker kann es sein, dass du Bockshornklee-Samen nicht gut verträgst. Es kann zu Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen und Schwindel kommen. Außerdem können Bockshornklee-Samen deinen Blutzucker in den Keller rutschen lassen. Insbesondere Diabetikerinnen müssen da besonders aufpassen, um nicht in einen Unterzucker zu fallen.  Insgesamt sind aber all diese Nebenwirkungen nicht so besonders prickelnd für eine frisch gebackene Mutter im Wochenbett, die sich doch eigentlich von der Geburt und dem Mama-Werden erholen soll.

Und nicht genug - es gibt noch drei weitere unangenehme Punkte.

Diese Nachteile haben Bockshornklee-Samen auch noch:

Ekliger Geruch

Bockshornklee-Samen riechen stark nach Curry. Und nach der Einnahme riecht die ganze Mutter danach - aus allen Poren! Das ist jetzt zwar nicht besonders schlimm und auch nicht gefährlich, aber bestimmt nicht besonders schön für Mama und Kind, die doch eigentlich ganz viel miteinander kuscheln sollen und sich ja eigentlich gerne beschnuppern würden. Denn was gibt es Schöneres als den Duft von einem Babyköpfchen?

Teurer Spaß

Und teuer sind Bockshornkleesamen-Kapseln auch noch. Eine Packung mit 90 Kapseln kostet 16 € - da man 3x täglich 3 Kapseln schlucken soll - reichen die gerade Mal 10 Tage!

Die offensichtliche Lösung wird vergessen!

Ganz in der falschen Hoffnung - das Arzneimittel, also die Bockshornkleesamen-Kapseln, werden es schon richten - fällt die wirklich wirkende Maßnahme oft hinten runter! Denn es gibt ganz einfache natürliche Lösungen, wie du deine Milchproduktion zuhause steigern kannst.

So kannst du deine Milchmenge steigern

Deutlich günstiger und viel effektiver  und auch noch - halt dich fest! - ohne Nebenwirkungen ist es, wenn du deine Milchmenge auf natürlichem Weg steigerst. Häufiges Anlegen deines Babys an der Brust motiviert die Brust nämlich dazu, noch mehr Milch zu produzieren. Stell es dir so vor, dass dein Baby deine Brustwarzen als Startknöpfe für die Milchproduktion benutzt. Jedes saugen, lecken, kneten und trinken führt dann dazu, dass automatisch mehr Prolaktin ausgeschüttet wird und nachweislich die Milchmenge hoch geht. Als Richtwert gilt 10-12 x täglich soll das Baby an die Brust. Manchmal braucht die Brust dafür 24-48 h bis sie reagieren, aber so wird mehr Milch kommen!

Wenn du dein Baby nicht an der Brust stillen kannst, kann eine Hochleistungs-Milchpumpe den Job des saugenden Babys übernehmen. Es gibt sogar extra Programme (Power-Pumping) mit deren Hilfe du die Milchproduktion an der Milchpumpe steigern kannst.

Wenn du mehr darüber lernen, willst, wie du ganz natürlich die Milchproduktion anregen kannst, dann schau unbedingt in mein Buch Stillstart. Darin erkläre ich dir ganz genau, wie das Stillen natürlicherweise abläuft - inkl. Schritt-für-Schritt-Anleitungen ab dem ersten Stillen im Kreißsaal. Außerdem ist ein ganzes Erste-Hilfe-Kapitel enthalten, z.B. zu wunden Brustwarzen, zu wenig Milch und Schmerzen beim Stillen. Ich erkläre dir darin auch, wie du feststellen kannst, ob du genug Milch produzierst und ob dein Baby gut zunimmt.

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